Das gesundmagazin war zu Besuch beim Mal-Ort von Heidemarie Mungenast:
Der Mal-Ort von Heidemarie Mungenast ist ein stiller Ort. Er ist bewusst abgeschirmt von jeglichemTageslicht. Die Präsenz ist ganz auf einem weißes Blatt Papier gerichtet, welches darauf wartet, mit der linken Hand (bei Rechtshändern) bemalt zu werden. Sanfte Klänge von Klangschalen dringen an das Ohr, fast unbemerkt, still eben.
Eine gerführte Meditation zu Beginn stimmt auf das ein, was aus dem Unbewussten spontan, ohne eigene Wertung, ohne fremden Druck, ohne Ziel kommen mag. Damit sich das frei entfalten darf, gibt es eben klare Strukuren: So auch die Regeln im Umgang mit den Farben und den Pinseln.
Es ist eine sinnvolle Struktur, um darin eben die größtmöglichste Freiheit zu haben. Freier Mal-Raum.
Die sortierten Farben auf dem Palettentisch duften nach Salbei, die Pinsel fühlen sich „echt“ an, weich und zart, wie naturgegeben.
Nichts lenkt ab. Alles ist da und darf gemalt werden.
Arno Stern hat den Mal-Ort als solches gegründet. Es war 1946, als er in einem Heim für Kriegswaisen in Paris zu arbeiten anfing. Er schafft einen Raum, in dem er den Malenden dienend, aber nicht wertend oder belehrend zur Seite steht. Er erkannte die Kraft des „freien“ Malens, um die Erlebnisse des Krieges verarbeiten zu können. Und das ist bis heute geblieben, auch wenn die Zeiten sich geändert haben. Doch der Mensch im Jahr 2014 ist eben immer noch ein Mensch im Kontext seiner Zeit, mit eigenen Ängsten und Sorgen, Geschichten und Erfahrungen.
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Fragen an Heidemarie Mungenast:
1. Heidemarie, wann war deine erste Begegnung mit einem Mal-Ort?
Das war in Nürtingen, im Jahr 1994 während meines Kunsttherapie Studiums. Damals war dieses freie Malen noch im Studienprogramm enthalten.
2. Was hat es mir dir gemacht? Was hat sich bei dir verändert?
Ich dachte, ich kann nur nach Vorlage und einem Thema im Kopf malen. Und war überrascht, wie leicht mir dieses ganz freie Malen im Malort fiel. Nach einiger Zeit konnte ich auch nicht mehr im Sitzen malen, es engte mich zu sehr ein.
Ich empfand dieses freie Malen im Malort wie einen Abenteuertrip, voller Überraschungen.
Das Freie floss dann auch immer mehr in meine Bilder ein.
3. War das ein langsamer Prozess oder eher ein Aha-Effekt?
Zuerst war es ein Aha-Erlebnis, ich wusste sofort, dies will ich nach meinem Studium machen.
Danach war ein längerer Prozess eingeleitet. Arno Stern sagt, dies kann bis zu einem Jahr brauchen.
4. Was ist dein eindrücklichtes Erlebnis mit Teilnehmern deines Mal-Ortes?
Es ist erstaunlich,wie sich jeder, der sich auf dieses Malen einläßt, auf spielerische Art immer freier und unabhängiger wird von eigenen Begrenzungen. Wie der Vergleich mit Anderen, der eigenen Kritik und der Erwartungshaltung nach und nach weniger wird.
Anders ausgedrückt: Befreiung von dem physischen und seelischen Druck, den wir uns selbst machen. Wie sie spielerisch den sicheren Umgang mit Farben, Pinseln lernen, immer freier und mutiger werden in ihrem malerischen Ausdruck. Oft kommen die Menschen erschöpft und bedrückt und verlassen nach 1 1/2 Stunden den Malort gelöst und beschwingt.
5. Arno Stern ist durch den Film alphabet wieder sehr in das Bewusstsein der Menschen gekommen. Hast du ihn persönlich erlebt?
Ja, ich hatte nach dem Studium, die großartige Chance, die Ausbildung bei ihm persönlich zu machen. Später habe ich ihn bei seinen Seminaren in Nürtingen begleitet und assistiert.
Er war auch in meinem Malort und von ihm sehr angetan.
6. Was wünscht du dir für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass dieses freie Malen ohne Bewertung auch in Kindergärten, Schulen
und anderen Einrichtungen Einzug hält. Es stärkt unser Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl, was für jeden von uns sehr wertvoll ist.
Danke für das schöne Interview!
Mehr Infos zum Mal-Ort von Heidemarie Mungenast in Stuttgart gibt es hier.