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Sind wir noch zu retten? Nehmen wir die Wahrheit in die Kreismitte

Im Frühsommer 2019 schaute ich in einem mir sehr vertrauten, privaten Kreise den damals neu herausgekommenen Film „Circleways“[1] an. Es waren an dem Vormittag sogar Menschen anwesend, die im Film als ‚zufällig beteiligt‘ vorkamen. Menschen, die ich sehr schätze und die ich heute in der Tat vermisse, weil ich sie schon lange nicht mehr gesehen habe. Es geht um einen Film, dessen Themen im Grunde genommen topaktuell sind und mit denen sich nahezu alle Menschen in meinem Umfeld seit längerem oder zumindest am Rande beschäftigen.

Ich erinnere mich zutiefst an den „Spirit“, der an diesem Vormittag in dem kleinen Wohnzimmer von Martin mit gut 18 Leuten herrschte: Aufbruchsstimmung, Be-geist-erung, Zuversicht, Wir-Gefühl und das Bewusstsein, dass wir alle eines Tages (in naher Zukunft!) das erleben dürfen. Denn es geht bei „Circleways“ um ein friedvolles Miteinander und um die Werkzeuge, wie Frieden und Verständigung in Gruppen, Gemeinschaften und in der Welt möglich sind.

Etwas mehr als 2 Jahre später sah ich ihn mit meinem Liebsten wieder an – somit erst vor kurzem an einem Spätsommerabend 2021.

Ja, 2019 war diese Welt für mich noch in Ordnung, denn das Gefühl, andere Menschen ticken wie ich und sind ebenso bestrebt, endlich etwas in Bewegung zu bringen, hat mich hoffnungsfroh und glücklich gemacht.

Doch jetzt – in 2021 – musste ich beim Filmschauen manch‘ bittere Träne weinen, mit einem Hauch von Resignation und Ratlosigkeit. Ich frage mich, wo diese Gemeinschaft in den letzten 19 Monaten geblieben ist? Warum haben wir es nicht geschafft, den größten Konflikt, die tiefste Krise und den bedeutsamsten Wandel der Welt nicht „im Kreis“ gemeinsam zu meistern?

Was ich damit auch meine: Eine echte Meisterschaft darin zu erlangen, keine Pseudo-Meisterschaft, weil wir uns eben doch nochmals an „alles“ angepasst haben. Nein, ich meine diese echte, zukunftsweisende Meisterschaft, den Wandel aktiv (und nicht nur passiv) zu gestalten. Doch ich denke, auch schnell die Antwort darauf zu wissen: Die Kräfte, die hier wirken und von denen wir uns beherrschen lassen, sind so machtvoll und subtil schwächend, dass wir mittlerweile nicht mehr dagegen ankommen. Egal ob als Gruppe oder ob als Einzelner. Selbst hell leuchtende Leitfiguren müssen inzwischen den Kopf einziehen … sind wir also noch zu retten?

Nun, mir ist auch klar, dass ein Kopf der Hydra niemals in ihrem Leben das Werkzeug der Kreiskultur anwenden würde. Aber es ist schon eine krass verdrehte Logik, dass sich wohl der größte Teil unserer hiesigen Gesellschaft kopfschüttelnd über die verrückten Tagträumer (oder ‚Hippies‘) im besagten Film lustig machen würde. Gut, dazu muss man jetzt den Film anschauen (oder zumindest den Trailer: https://www.pantaray.tv/circleways). Ihr seht Menschen, die geradezu schamlos ihre Wut, ihre Wahrhaftigkeit und auch ihre Tränen zeigen. Menschen, die sich ihren Mitmenschen, die sie lieben, auch zu’mut‘en in ihrem authentischen Sein. In jedem Fall würden Viele spontan diese Menschen als weltfremde Spinner hinstellen.

Der Original-Trailer:

 

Je mehr ich mich da Draußen in dieser aktuellen Welt bewege, desto fremder wird mir tatsächlich diese Welt. Und zwar noch zu einem viel stärkeren Maße als schon die Jahre oder gar Jahrzehnte zuvor, in denen ich mich über Massentierhaltung, Am*z*n und Zuchtweihnachtsbäume durchaus aufgeregt hatte. Zumindest haben genau diese 3 Themen immer für hitzige Diskussionen gesorgt, denn hier wurde ich immer als, ja genau(!), weltfremd bezeichnet. Ich leide nicht an mangelnder Integrationsfähigkeit oder Toleranz, doch eher an Mitgefühl. Jeder darf und kann selbst entscheiden, wie er leben will – sofern die Konsequenzen daraus auch selbst getragen werden.

Doch noch viel mehr leide ich nun an einer Welt, in der Menschen zu erleben sind, die sich selbst nicht mehr spüren können oder ihren inneren Navigator gänzlich abgeschaltet haben. Vielleicht ist der dafür notwendige Kompass auch manipuliert worden – das liegt im Bereich des Möglichen. Es geht an dieser Stelle nur um meine eigene Wahrnehmung.

Zurück zur Kraft des Kreises und seiner kommunikativen Stärke: Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein[2]! Diese im Film beschriebene Kreiskultur ist ein Weg zur Befriedung von mindestens zwei Menschen bis bestenfalls eines ganzen Dorfes! Sie öffnet den Horizont, den anderen Menschen mit dem Herzen zu sehen und zu erkennen. Sie ermöglicht, dass ich mich selbst mit meinen Gefühlen wahrnehmen und sie auch kommunizieren kann. Sie – immer noch die Kreiskultur – schenkt damit vor allem eine große Portion Selbstliebe.

Selbstliebe könnte auch der Schlüssel sein für eine Lösung dieser, in seiner Achse verrückten Welt.

Wenn ich den Geist der Filmprotagonisten noch detaillierter beschreiben soll, dann spüre ich einen wundervollen Zustand: nämlich den der Freiheit! Nach solchen Kreisprozessen fühlen sich die Menschen meist beglückt und befreit! Und das sieht man in den Gesichtern!

Ja, wo ist diese Freiheit geblieben? Sie existiert grundsätzlich (und zuerst) in deinem Inneren, und diese Form der Freiheit kann dir auch niemand wegnehmen. Aber das ist nicht das Leben hier auf Erden, obschon das Himmelreich in dir ist … Unsere Seele navigiert unseren Körper – und dieser will in leibhaftige Erfahrungen eintauchen. Für alles, was wir für die Welt tun, braucht es auch die äußere Freiheit. Insbesondere wenn die Freiheit durch Umstände genommen wird, die nichts Göttliches oder Schöpferisches an sich haben.

Ich überlege, ob es noch einen Zustand gibt, der die momentane Situation noch besser beschreiben kann als Freiheitsentzug, Halbwahrheiten und mathematische Rechenschwierigkeiten.

Ja, es ist Angst. Die große Angst, von der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Und diese Angst gibt es auf beiden Seiten, wenn wir davon ausgehen, dass es „nur“ zwei Seiten einer Medaille gibt.

Das tiefe archaische Bedürfnis, irgendwie dazuzugehören und auf jeden Fall zu vermeiden, dass jemand schlecht über dich redet, dich beschimpft oder anzeigt – das steckt tief in unseren Zellen drin. Die eigentliche Krankheit, an der unsere Gesellschaft leidet, ist die Angst vor dem Ausgestoßen sein. Und diese Angst ist verständlich und logisch.

Unser Reptiliengehirn mag Sicherheit und Schutz – und das funktioniert nur, wenn wir ein vertrauenswürdiges Umfeld haben und mit dem, was wir tun, nirgendwo anecken, also möglichst vollkommen sicher sind.

Aber bei zwei Seiten einer Sache bleibt immer eine Seite ungesehen oder abseits des Geschehens – je nachdem, wie wir uns eben entscheiden. Hü oder hott? Da kommt wieder der Kreis ins Spiel. Ein Kreis ist rund und hat so viele Seiten, wie Menschen im Kreis stehen. Und im besten Fall wird jede/r gesehen und gehört. Niemand wird ausgeschlossen. Im Kreis bin ich nicht alleine – selbst wenn ich die allergrößte Angst habe. Doch schaffen wir es, dass wir jetzt alle in einem Kreis stehen? Alle?

Theoretisch können wir es hinbekommen, dass sich die 2-Seiten-Gesellschaft in einen Kreis stellt. Denn in erster Linie sind wir Menschen – und das bleiben wir.

Praktisch ist es jedoch nicht möglich. Warum? Ganz einfach: Solange die Wahrheit nicht ihren Platz in der Kreismitte einnehmen kann, beruht der Kreis grundsätzlich auf Unwahrheit, man kann auch sagen: Lüge oder Betrug.

Ich spreche hier nicht von der subjektiven, persönliche Wahrheit, die eben die Individualität des Menschen ausmacht. Ich spreche hier von der absoluten Wahrheit, die aus der schöpferischen Ordnung kommt. Ich nenne hier keine(n) Namen oder versuche auch nicht diese Ordnung mit Worten zu umschreiben. Ich rede von der „Realität“ oder der Wirkkraft der Natur. Eben das wirkt in uns. Und nur das zählt, oder?

Diese Wahrheit ist jedoch aus dieser naturgegebenen Ordnung herausgefallen.

Sind wir also noch zu retten, wenn unser Leben ohne diese eine Wahrheit jetzt im Moment stattfindet? Und womöglich auch weiterhin stattfinden wird?

„Rette sich, wer kann“ – und das Können liegt dir selbst. Es ist deine Entscheidung!

 

© Birgit Matz im September 2021

 

Mehr dazu unter auch unter:

https://www.pantaray.tv/circleways

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[1] https://www.pantaray.tv/circleways

 

[2] Goethe, Faust Teil 1

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