Es ist Ende Juli: Der hiesige Sommer wandelt sich schon bald zum Spätsommer und lässt jetzt schon eine Art Kräftemessen der Naturgewalten erahnen. Es ist, als ob diese sommerliche Leichtigkeit langsam verschwindet, obschon wir sie am liebsten festhalten wollten.
Auch die Früchte, Kräuter und Blüten, die jetzt in die Reife gekommen sind, wollen sich nicht weiter entfalten oder wachsen, sondern geerntet, gepflückt oder geschnitten werden. Das ist der Lauf der Zeit und im Rhythmus eines Jahres sogar eine perfekte Planung …
Diese Entwicklung aufzuhalten, ist keine gute Idee. Doch sehnt sich unser Herz meistens nach noch mehr Ausdehnung und nach noch mehr Sonne – und auch nach einem Auskosten all der Fülle und Schönheit. Schließlich bedeutet ein blühender Rosenstock, ein prall voll hängender Apfelbaum, ein Feld blühender Schafgarbe oder die rot gewordenen Tomaten pure Fülle.
Dem ein Ende zu setzen, fällt schwer. Doch der Punkt der Reifung ist gekommen – da gibt es so gar keine Diskussion. Es gibt auch kein Zurück mehr. JETZT müssen zur Entfaltung der Heilkraft die Kräuter geschnitten und getrocknet werden. JETZT müssen die Früchte eingesammelt und eingemacht werden. Gut zu wissen: Wer den Erntezeitpunkt jetzt verschläft, wird später nur Fauliges oder Vertrocknetes vorfinden (Das allerdings ist für Tiere durchaus ein Festmahl).
Im Lebensalltag erfahren wir diese Situationen ebenfalls: Wir treffen täglich unsere Mini-Entscheidungen (was esse ich heute, was ziehe ich an …), selbst wenn diese unbewusst oder routiniert stattfinden. Jeder kennt die Phasen, an denen größere Entscheidungen getroffen werden, die von Bedeutung und Tragweite sind und den Punkt der Klarheit erfordern. Egal ob freiwillig oder eher unfreiwillig: Mit der Wucht der Klarheit ist eine Entscheidung eine Entscheidung. Punkt.
Klare Entschlüsse oder Handlungen sind wie scharfe Schnitte, die in diesem Moment weh tun (Die Natur liefert bei Wunden ihren eigenen Wundbalsam: Harz zum Beispiel). Im nächsten Moment oder mit ausreichend Abstand sieht man dann das Ergebnis: „Okay, jaaaaaa, es war gut so!“
Die Natur macht es uns vor: Äpfel werden gelagert für den Winter, Kräuter werden getrocknet, würzen das Essen oder helfen bei Krankheiten als Tee oder Tinktur, Rosen und Lavendel duften noch lange … Das ist gut so. Erst bei dem passenden (alles entscheidenden) Erntezeitpunkt kann die Fülle auch gehalten werden. Sie lebt weiter in der Transformation. Hierbei geht es auch um Heilung im weiteren Sinne.
Die Klarheit ist dabei genau der Zustand, der wie eine unüberwindbare Hürde erscheint. Es braucht diesen besonderen Moment: Die Lücke in der Wolkendecke mit dem Sonnenstrahl, der hindurchkommt. Und dann kommt das tiefe innere Wissen: Jetzt ist die Zeit gekommen! Je ruhiger die innere Haltung ist, desto wertvoller wird der Schnitt!
Mit den Pflanzen kann „geübt“ werden. Jetzt braucht es nur noch den richtigen Zeitpunkt!
Das Jahreskreisfest, das zu Beginn des Augusts gefeiert wird, übt genau diese Situation. Man nennt diese Zeit auch Schnitterinnenfest oder Kräuterweihe. Es oblag den Frauen, sich um die Kräuter und das Heilsame zu kümmern. Mit einem guten und wissenden-weisen Blick auf die Witterung wird der ent-scheid-ende Schnitt genau richtig sein: Ein trockener Vormittag mit Sonnenschein eignet sich hierbei besonders gut.
Also: Geduld! Der klare Zeitpunkt kommt!
(c) Birgit Matz
(c) Fotos: Pixabay: Danke! ♥
PS: Mit einer besonderen Aufmerksamkeit die Kräuter selbst zu weihen, ist ein heiliger Akt! Wenn man den religiösen Überbau genauer betrachtet, steckt in dieser Geste viel mehr! Sie hat KRAFT!
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