Heute spreche ich aus meinem eigenen Nähkästchen. Die Fächer und Schubladen des berühmten Kästchens haben Titel wie „hochsensibel“, „neurosensitiv“ oder „hochempathisch“. Damit weiß so ziemlich jeder, was damit gemeint ist, oder? Jedoch in der Tiefe betrachtet, öffnet sich dabei ein weites Feld an Möglichkeiten und Fähigkeiten, die allesamt überaus lebensdienlich und keinesfalls lebenshinderlich sind.
Selbst musste ich schon einige Jahrzehnte lang (damit) überleben: Das Wissen, dass ich all das über mich selbst verstanden habe, aber nicht wirklich in Echt erfahren konnte. Wie eng diese hochsensible Hochbegabung an das eigene Berufsleben geknüpft ist und damit an Erfolg oder Misserfolg, war ein langer und teilweise oft schmerzhafter Bewusstwerdungsprozess. Ein großes Erwachen im eigenen Bewusst-Sein.
Der Begriff „Neurosensitive Begabung“ gefällt mir dabei besonders gut, somit besser; es spiegelt den engen Zusammenhang von Nervensystem und Empfindungen wider. Ein Sensibelchen will ja keiner gerne sein oder als Solches bezeichnet werden. Dieser Stempel mündet sowieso in eine Ausgrenzung aus dem echten, richtigen Leben und in jedem Fall ins Abseits des so genannten Normalen. In einer normopathischen Gesellschaft* lebt jeder nach einem Normwert und hält diesen für angemessen und vollkommen richtig (Dabei wird heute richtig und falsch gerne auf eine Weise interpretiert, dass es eher zur Verdrehung wird = Randbemerkung).
Es hat wirklich lange gedauert, bis ich es anerkennen konnte, dass diese Fähigkeit, die ungefähr 20 % der Bevölkerung in sich tragen (nach Schätzungen) eine echte Begabung ist. Das bringt jeder Hochsensible in sein Leben mit (die Gründe hierfür sind noch verschwommen und wissenschaftlich nicht unbedingt erklärbar). Anders als andere bekannte Begabungen, auf die fast jeder stolz sein kann, muss das Erkennen dieser Begabung erst einmal in einem langen Prozess für sich selbst adoptiert werden.
Scham und Schweigen sind bekannte (und erlernte!) Reaktionen auf die Ereignisse im Leben eines hochsensitiven Menschen. Stattdessen sollte jeder Betroffene darüber reden können, sollte jeder damit willkommen sein und sollte jeder damit einhergehend ein gesundes Maß an Selbstliebe und Selbststolz in seinen eigenen sensiblen Alltag einladen können.
Die Fähigkeiten der Neurosensitiven sind insbesondere …
- Schnelles Erkennen von Wahrhaftigkeit und Authentizität
- Feine Wahrnehmung für Unsichtbares/Unhörbares in der Umgebung
- Hohe Stimmungssensibilität
- Großes Interesse an Lösungsorientierung
- Stetige Gewissenhaftigkeit
(Ja, auch wenn es mit einer gesunden Grenzziehung für den eigenen Rückzugsraum und Ruhe, für das Vermeiden von lauten Geräuschen, heftigen Gerüchen oder zu viel quantitativem Stress und Überforderung durch Perfektionismus sowie einer sinnvollen Steuerung des Nervensystems verbunden ist.)
Es sind hier Fähigkeiten auf einem Spielbrett, die nutzbringend und vor allem gewinnbringend eingesetzt werden könn(t)en. Es ist ein echter und ehrlicher Weg.
Doch es ist auch Schlamassel. Ein hochqualifiziertes Chaos. Eine Gratwanderung zwischen Lebensfreude und Lebensfrust. Es gibt hierfür auch nicht den richtigen Beruf. Es gibt hierfür nur das passende Umfeld. Dieser Satz ist wichtig!
Nochmals: Es ist keine Krankheit, keine Fehlzündung, sondern etwas so Kostbares, dass es gerade in der heutigen Zeit zu etwas Bemerkenswertem heranwachsen kann!
Die Anpassung an das normopathische Leben ist dabei immer einseitig. Die Angst, dass das Gegenüber schnell deswegen genervt ist, ist riesengroß. Daher strickt und häkelt sich ein hochsensitiver Mensch immer um die Bedürfnisse des allgemeinen Normalen drumherum. Ganz besonders passiert das im Beruf, aber auch unter Freunden, in der Familie, in Partnerschaften: Eine ungesunde Verdrehung, weil dann alle Beteiligten sich etwas vormachen (müssen)!
Wie kann es leicht und (hoch-)beschwingt gehen?
- Bescheid wissen darüber – ist der erste Schritt (siehe Buchtipps)
- Darüber ohne Angst reden zu können und sich zeigen zu können, ist ein Weg; das ist aber bestimmt nicht der leichteste Weg. Zumal der Empfänger dafür empfänglich sein muss 😉 (Was ja genau das Problem ist …).
- Hineinwachsen in eine Selbstständigkeit durch das Ausüben kreativer Tätigkeiten
- Das passende Umfeld finden!
- Austausch in einem Netzwerk
- Gute Nervensystem-Pflege
Buchtipps zum Thema, die wirklich hervorragend diese Hochbegabung beschreiben:
Luca Rohleder
Die Berufung für Hochsensible
Wie feinfühlige Menschen besser loslassen, ihr Urvertrauen stärken und berufliche Erfüllung finden können
Luca Rohleder
Die Liebe empathischer Menschen
Bessere Beziehungen, mehr Selbstliebe und weniger Liebeskummer für sensible Menschen
Christel Petitcollin
Ich denke zu viel
Wie wir das Chaos im Kopf bändigen können
Christel Petitcollin
Ich passe nicht in diese Welt
Rettende Kommunikationsstrategien für Menschen, die zu viel denken
Anita Moorjani
Hochsensibel ist das neue Stark
Warum Empathie der Schlüssel für ein besseres Leben und eine bessere Welt ist
Mit gezielten Energieübungen für Beruf und Alltag
Mehr Informationen (=Vernetzung/Veranstaltungen/Hilfe) unter www.hochsensibilitaet-netzwerk.com
* Diesen Begriff prägte Hans-Joachim Maaz; Buchtitel: „Das falsche Leben“
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