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Das Leben muss gefühlt werden Akzeptanz ohne Augenzwinkern

Gefühle gehören zum Leben dazu. Jeder kennt sie: Freude, Angst, Trauer, Scham und Wut. Das sind „nur“ fünf Basisgefühle, die im Wesentlichen unseren Alltag bestimmen. Es sind wie unsichtbare Werkzeuge für das Überleben (Aber ehrlich gefragt: Willst du leben oder überleben?). Dazwischen liegen die pastellfarbenen Gefühle, die sich wie feine Nuancen der fünf Grundstimmungen zeigen. Dazu zählt beispielsweise Ärger, Aggression, Depression, Euphorie, Stolz, Panik, Neid, Hass, Einsamkeit …

Das sind ganz schön viele Facetten, die nicht so gerne gezeigt werden, oder?

Noch kurz ein Ausflug: Emotionen dagegen sind Gefühle plus Körperreaktionen plus Denkprozesse, die tatsächlich in der Summe schwerer wiegen und die viel deutlicher für die Mitmenschen zu erkennen sind. Oft übernehmen sie ungefragt das Ruder und lassen so einiges aus dem Ruder laufen. Doch das ist eine andere Geschichte.

Wie schön wäre es doch, wenn jedwedes Gefühl eine Farbe hätte oder wenn es einen Ton erzeugen könnte. Das wäre dann in jedem Fall eine untrügliche und unmittelbare Ehrlichkeit von Mensch und zu Mensch. Ach, schau mal: Angst leuchtet Orange – dann weiß jeder sofort Bescheid. Oder Wut ist ein furchtbar lauter Ton, der einen sofort zusammenzucken lässt. Das Gute ist: Gefühle kommen und sind selten aufzuhalten. Dennoch erfahre ich häufig, dass sie unterdrückt werden. Ohne jetzt ein psychologisches Fass aufzumachen: Gesund ist das nicht. Und ehrlich auch nicht.

Es gibt Menschen, die Gefühle (+ noch vieles andere auch) hören, sehen oder spüren können. Sie sind hochempathisch und feinfühlig, brauchen weder Worte noch Dramatik. Doch wie ist das, wenn all das wahrgenommen wird – also die echten und unechten Gefühlsnuancen, einfach alles? Wenn alles wie ein Schwamm, ungefiltert und pur, aufgesogen wird? Wenn die Schwingungen der Gefühle und Gedanken unsichtbar sind und trotzdem alles durchdringen vermögen?

Ich sage es gleich: Es wäre anstrengend. Nein: Es ist anstrengend!

Mein ganzes Leben lang war ich überzeugt davon, dass alle Menschen so fühlen wie ich. Bis ich doch immer wieder schmerzhaft an meine Grenzen stieß, die mich erkennen ließen, dass selbst Worte nicht ausreichen, um wenigstens zu erklären, was ich alles wahrnehmen kann. Die Schublade hierfür ist nicht groß, aber ziemlich dick und deutlich mit Ausrufezeichen beschriftet: hochsensibel, hochsensitiv, neurosensitiv, zart besaitet, dünnhäutig, nervenschwach, empfindsam, schüchtern, introvertiert, geruchs- und lärmempfindlich, nicht belastbar, …

Das alles steht drauf. Ich spüre oft den Gesellschaftsradiergummi, der Abweichungen von der Norm verschwinden lassen möchte. Einfach noch schnell die Krümel weggepustet! Zum Glück: Denn das Schlimmste, was einem Menschen mit dieser Begabung passieren kann, ist nämlich das Abtauchen von der Oberfläche des sozialen Umfelds.

So habe ich mir im Laufe der letzten Jahre meine eigene Lebenskommode gebaut, so dass ich selbst in der Hand hatte, mit was ich meine bunten Schubladenfächer beschriften kann: hochbegabt, intuitiv, empathisch, herzlich, ehrlich, wahrhaftig, authentisch, hellwissend, klug,

Doch Hand aufs Herz: Hat es etwas gebracht? Versteht mit deswegen jemand mehr oder besser? NEIN! Die klare Antwort heißt tatsächlich NEIN! Weder im Job, noch in der Familie oder in Gruppen. Dennoch gibt es Menschen, die mich echt gut verstehen können. Sie besitzen nämlich die gleiche Begabung. Und natürlich „verstehen“ mich auch Menschen aus meinem sehr engen Umkreis (sonst würden sie das Leben mit mir gar nicht aushalten!).

Den Stempel werden die Feinfühligen nicht so schnell los, denn der passt nicht so gut in die Welt, die wir bis jetzt gekannt haben. Auch wenn sich hier ein leiser Wandel vollzieht: Die Anpassung erfolgt immer noch eher von den Neurosensitiven als umgekehrt. Es braucht unbedingt ein Umfeld, um seine Begabung ausleben zu können!

Was würde ich also drum geben, wenn es Nischen in Hotels, Cafés oder Restaurants mit sensiblem Ambiente gäbe? Dasselbe für Fernzüge, Veranstaltungsräume, Einkaufszentren (Das wäre eine echte Geschäftsidee)? Was würde ich drum geben, wenn es eine Akzeptanz ohne Augenzwinkern gäbe?

Das Bewusstsein hierfür kann nur kognitiv oder körperlich erfahren werden. Es braucht aktuell noch Zeit und Geduld. Doch ich bin überzeugt, dass der Wandel kommen wird, denn wir werden alle nicht ums echte Fühlen drum herum kommen. Je größer die Verwirrung da draußen wird, desto mehr wird das reine Fühlen ein verlässlicher Partner. Die Viel-Fühlenden dürfen herzlich einladen werden, die Welt zu bereichern; ich wage zu sagen: zu verbessern.

In einer Gesellschaft, in der Gefühle oder Emotionen nur im Ernstfall gezeigt werden dürfen, wird das zu einer echten Heldenreise. Das Fühlen mit allen Sinnen (hellwissend, hellhörig, hellsehend, hellspürend) ist eine Chance, die das Miteinander im Großen und Kleinen friedlich gestalten kann.

Fühlen ist unmittelbar und echt. Es schafft Werte, die ins Herz gehen.

Ja: Das Leben muss gefühlt werden!

 

© Birgit Matz

© Foto: Pixabay: Danke!

 

 

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